Offerus Ablinger (geb. 1983) studiert an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Ashley Hans Scheirl. Seine Arbeit umfasst Malerei, Performance, Installation und Bühnenbild. Zentrale Themen seiner Malerei sind gesuchte und gelebte Normativität in einem sich nicht normativ verhaltenden Umfeld, Queerness, gesellschaftliche Konstrukte und Körperlichkeit. Männlichkeitsbilder und Geschlechterrollen, außerhalb und innerhalb der heteronormativen Grenzen, werden kritisch behandelt.

Das Setting der Gemälde „Zuckerwatte“, „Enjoy“ und „Truvada Bitch“ von Offerus Ablinger bewegt sich in der schwulen Berliner Clubwelt, aufgebaut auf und um den Text „Schwarzer Schweiß“. Dieser Text befindet sich abgedruckt auf das original getragene Hemd dieser Nächte, als Erlebnisbericht eines exorbitanten Clubwochenendes.

Offerus zeigt die Kehrseiten einer oftmals nur als schillernd und exzessiv dargestellten Partyszene auf. Er behandelt aber auch die positiven Aspekte der schwulen und queeren Subkultur, wie zum Beispiel die Freiheit heteronormative Lebensstrukturen aufbrechen zu können. Um sich offensiv mit diesen Thematiken auseinanderzusetzen, bewegt er sich bewusst aus seinen Komfortzonen und überschreitet eigene Hemmschwellen. Für Offerus Ablinger spiegeln sich auf eine absurde und übertriebene Weise übernommene Mechanismen aus der Heteronormativität in dieser Subkultur wider. Übertriebenes Männlichkeitsgehabe und Körperkult dieser schwulen Subkultur – oft auch gelebt in Pornos – kann nach Offerus’ Meinung auch als versuchte Anpassung an ein patriarchalisches System gesehen werden, um das eigene Gender und somit auch die sozialgesellschaftliche Position behaupten zu können. Gerade auch Sexualität und pornographische Trends spiegeln für ihn die Gesellschaft wider in der wir uns bewegen. So sieht er auch Themen wie Chem-Sex, Darkroom, Partywelt, Drogen, extreme Sexpraktiken und kontrollierter Kontrollverlust, als Metapher für ein sich langsam änderndes Sozialverhalten, welche auch schon teilweise in die Heteronormativität übergreifen. Da seiner Meinung nach Subkulturen auch schon immer Ausschlaggeber für neue Impulse gewesen sind.

 Zuckerwatte

Im Gemälde Zuckerwatte wird mit einer Romantisierung in der Ausdrucksform gespielt. Das Rosa der Wolken gilt als Rahmen, stellvertretend für die Szene. Pink als Farbe der Gemeinschaft – wie sie bereits im Nationalsozialismus als „Rosa Winkel“ eingesetzt wurde, um den „Abschaum“ zu markieren – steht mittlerweile für viel mehr. Unter anderem für den „Gender Wahn“ bereits in der Kindheit, somit auch für Sozialisierung und das Drängen in eine heteronormative Geschlechterrolle.

Die Zuckerwatte-Wolke ist auch als Zustand des Rausches zu begreifen. Es tropft schwarz aus der bedrohlich wirkenden Wolke, was sinnbildlich als der schwarze Schweiß zu sehen ist, der bereits im gleichnamigen Text vorkommt. Dort als Metapher für eine Beschmutzung und die Kehrseite der Partyszene.

Der Raum, in dem die in sich selbst verstrickte Figur in einer Ecke sitzt, scheint sich aufzulösen. Durch die Überlappung der angedeuteten Körper, wirkt die Figur, als würde sie sich selbst bedrohen. Die sich auflösenden Gliedmaßen lassen die Figur sehr instabil und zerbrechlich wirken. Durch die graphischen Elemente unterstützt, entsteht der Eindruck eines Käfigs, in dem die Figur während eines sehr intimen Akts zur Schau gestellt wird. Durch das fragmentarische Auflösen des Raums und der Figur können Rückschlüsse auf den Bewusstseinszustand der Figur gezogen werden. Wobei diese Frage hier bewusst offen gelassen wird.

Enjoy

Die widersprüchliche Körperhaltung der Figur in diesem Gemälde – die gleichermaßen andeutet, sich selbst zu strangulieren, wie auch stranguliert zu werden – zieht sich auf einem kleinen, kaum Halt gebenden Podest selbst in die Höhe. Thema dieser Körperhaltung ist der größtmögliche Lustgewinn durch kontrollierten Kontrollverlust.

Die Latexhandschuhe suggerieren ein sich-selbst-nicht-zu-nahe-kommen-wollen und ein gewisses Maß an Selbstekel. Denn ebenfalls wird das momentan sehr präsente Thema des Chem-Sex in dieser Szene angesprochen. Geschürt durch neue Dating-Plattformen, entkommt man als schwuler Mann dem Wort Chem-Sex kaum und wird regelmäßig damit konfrontiert. Der Begriff beschreibt die Kombination von bestimmten Substanzen, welche auch als „Sexdrogen“ bezeichnet werden. Im Gemälde werden sie der Figur mit einer Pipette verabreicht. Durch diese Kombination aus Sex und Drogen entsteht eine extreme Abhängigkeit. Die Substanz übernimmt bereits Kontrolle über den Körper der Figur und färbt ihn pink. Der Raum verschmilzt mit der Körperlichkeit und löst sich wiederum auf.

Truvada Bitch

In Truvada Bitch wird das Thema der H.I.V. Prävention durch medikamentöse Einnahme von Truvada (Medikament zur H.I.V.-Prävention) thematisiert.

Einerseits ein großer Fortschritt, da das Virus mittels Medikamente präventiv eingedämmt werden kann (durch Studien belegt), andererseits ist es sehr umstritten, da es eine extreme Kontroverse darstellt. Nebenwirkungen werden in Kauf genommen, um ungeschützten Geschlechtsverkehr haben zu können. Ungeschützter Geschlechtsverkehr vermittelt vielen ein besonderes Gefühl der Nähe und des Vertrauens, dabei ist die Wahl des Geschlechtspartners in gewissen Kreisen vor allem oft eher nebensächlich.

Im Bild Truvada Bitch regnet es Pillen aus einem truvadablauen Himmel. Auf dem blutroten Flügel streckt sich ein Jüngling spielerisch gen Himmel. Sein Körper auf ein Objekt der fleischigen Begierde reduziert, löst er sich im Raum auf. Er wird von dem Medikament überflutet und ist sich den Konsequenzen möglicherweise nicht bewusst.